Ich sehe was, was du nicht siehst …
Die Unterstützer der kubanischen Revolution waren schon immer etwas speziell, um es harmlos auszudrücken. Als Schüler in Kuba waren wir einer ideologisierten sozialistischen Kreativität ausgeliefert und manchmal lachten wir über jene „Peinlichkeiten“, die wir im Namen von Fidel Castro und seiner Revolution zu Ehren genötigt wurden, auszuführen. Doch, aus welchen Gründen auch immer, haben sich die Kubaner - auch zu Revolutionszeiten - durch ihre Cleverness, ihren Einfallsreichtum sowie ihre Kreativität ausgezeichnet. Mit den Jahren hat sich Kubas Wirtschaft bekanntlich ständig bergab bewegt, die klugen Köpfe sehen zu, dass sie ins Ausland gehen und die, die bleiben, haben es wahrlich nicht einfach, ihr Leben einigermaßen zu meistern. In beiden Fällen lassen sie ihrer Kreativität freien Lauf. Ärzte in Kuba beispielsweise lassen sich allerhand einfallen, um ihre Patienten irgendwie zu versorgen, mal werden gebrochene Gliedmaßen mit Pappe, satt mit Gips ruhig gestellt; mal werden Prothesen aus alten Plastikeimern gefertigt und mal werden Papieretiketten als Bandage benutzt (der Patient hat dann eine Wunde mit Strichcode). Aufgrund des chronischen Kraftstoffmangels werden Fahrzeuge aus Baumstämmen und alten Gefäßen gebastelt, die mit Muskelkraft betätigt werden und an die Fahrgefährten von Fred Feuerstein und Berni Geröllheimer erinnern; in der heimischen Küche wird Benzin aus Plastikflaschen hergestellt und Pferde werden als Zugkraft vor das ehemals fahrtüchtige Fahrzeug (nunmehr mit leerem Tank) gespannt. Verstorbene werden auf dem Fahrrad oder auf selbstgebauten Anhängern transportiert. Der letzte Weg, der zum Friedhof, ist nicht weniger mühsam als die Wege zu Lebzeiten.
Anders ist es im Kreis der Regierenden.
Schaut man heute nach Kuba, wo die Ideologie noch immer regiert, wo Menschenrechte nichts wert sind, wo die Leute stundenlang wegen einer Hand voll Reis anstehen, und wo Kinder und Alte aus Mangel an Medikamenten sterben, staunt man darüber, dass anscheinend noch viele hinter diesem gescheiterten Staat stehen. Und genauso wie das Land den „Bach runtergegangen ist“, scheint es mit der Genialität des kubanischen Geistes auf Regierungsebene "runterzugehen". Liegt das vielleicht daran, dass sie sich nicht den Kopf darüber zerbrechen müssen, wie sie ihre Kinder ernähren, wie sie ihre Eltern medizinisch versorgen und wie sie ihre Bäuche voll bekommen können? Ist die vermutete angeborene kubanische Kreativität bei der herrschenden Klasse mangels Beanspruchung ausgetrocknet? Ich behaupte, es liegt daran: Ideologie frisst Hirn.
Vor Jahren lachten wir über den Präsidenten Venezuelas, Nicolás Maduro, der zu Beginn seines Wahlkampfes im Jahre 2013 behauptete, der verstorbene Hugo Chávez sei als „kleines Vögelchen“ zu ihm gekommen und habe ihn gesegnet. Das Vögelchen sei in die Kapelle hereingeflogen, in der er sich alleine befunden und gebetet habe. Es habe über sein Kopf drei Runden gedreht, sich auf einen Holzbalken niedergesetzt und angefangen zu singen. Maduro imitierte bei seiner Erzählung den Vogelgesang, wie ein Berufskomiker auf der Bühne. Und man konnte nicht anderes, als über seinen nicht als einen solchen gemeinten Witz lachen.
Auch in Kuba werden die revolutionären Statements immer bizarrer. Auch die Regierenden unter dem nicht gewählten Díaz-Canel inszenieren manche ihrer Auftritte so, dass man ernsthaft an ihrem Verstand zweifeln kann So wie bei der außerordentlichen Tagung der zehnten Legislaturperiode der Nationalversammlung Kubas vor ein paar Tagen. Zu Beginn der Tagung gab deren Präsident bekannt, dass er die Anwesenheit Fidel Castros spürte, und zeigte auf einen leeren Stuhl. Der darauffolgende feierliche Beifall der Delegierten, an den Stuhl gerichtet, galt dem angeblich anwesenden Fidel Castro.
Nur: Fidel Castro ist bereits 2016 gestorben.
Nat Neumann, Mai 2023
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