Mitgefangen, mitgehangen?
Ich war nicht wenig erstaunt, als ich vor nicht allzu langer Zeit im Internet gelesen habe, dass Kuba mit Haiti und nicht mit weiter entwickelten Ländern verglichen werden soll, offensichtlich in der Überzeugung, dass Kuba neben dem traditionell armen Haiti als "entwickeltes" Land erscheine. Offenbar ist auch Armut relativ. Die Besserwisserin aus dem Internet wusste nicht, dass Kuba schon viel weiter war als Haiti, dass Kuba ein fortschrittliches und vielversprechendes Land war bevor Castro kam und die Wirtschaft des Landes zerstörte.
Was sie und viele andere sicher auch nicht wissen, ist, dass heute Kubaner regelmäßig nach Haiti fahren, um dort all das zu kaufen, was sie in Kuba nicht bekommen, also so ziemlich alles. Sie kaufen in Haiti die Waren, die sie in Kuba verkaufen. Das scheint sich als Geschäftsmodell etabliert zu haben, und es scheint sich zu lohnen. Die einst wohlhabenderen Kubaner kaufen im armen Haiti ein.
Hat Haiti Kuba ökonomisch überholt?
Wir alle haben die Entwicklung in Haiti verfolgt. Haiti, das erste unabhängige Land Lateinamerikas, kommt nicht zur Ruhe. Selbst schwerste Naturkatastrophen verschonen das Land nicht, aber die aus meiner Sicht schlimmste Katastrophe ist die politische und gesellschaftliche Situation. Die staatliche Ordnung scheint zusammengebrochen zu sein. Kriminelle Banden sollen in vielen Teilen von Port-au-Prince das Sagen haben. Doch schon vor der aktuellen Zuspitzung der Lage war bekannt, wie desolat und unsicher das Land ist. Es stellt sich die Frage, warum Kubaner trotzdem nach Haiti gereist sind. Offensichtlich, um aus ihrer ebenfalls prekären Lage herauszukommen und ihre Familien ernähren zu können.
Zwischen Santiago de Cuba und Port-au-Prince liegen rund 402 Kilometer, die Flugzeit beträgt etwa eine Stunde. Da erschien es vielen lohnenswert, den Katzensprung zu wagen, um das Geschäft in der Heimat anzukurbeln. Doch die Lage in Haiti soll sich derart verschlechtert haben, dass der letzte kurze Einkaufstrip zum Horrortrip wurde. Derzeit sitzen mehr als 250 Kubaner in Haiti fest, die dort leben oder dort lebensnotwendige Güter einkaufen wollten. Viele von ihnen wollten lediglich ein paar Tage bleiben und sind schon mehrere Wochen dort, ohne nach Hause zurückkehren zu können.
Jetzt nutzen sie die sozialen Medien, um sich Gehör zu verschaffen. Sie fordern - bisher vergeblich - die kubanische Regierung auf, sie zu evakuieren und nach Hause zu bringen. Sie betteln regelrecht darum, aus Haiti herausgeholt zu werden. In der Hoffnung auf Solidarität schrieb einer von ihnen in einem Chat: Wir wollen in der Gruppe nicht über Politik reden. Wir wollen, dass unsere Stimme gehört wird. .... Während andere Kuba verlassen wollen und schlecht über die Regierung reden, wollen wir in unser Land zurückkehren. Wir wollen über nichts schlecht reden ...
Diese Aussage kann als Versuch verstanden werden, dem kubanischen Regime zu schmeicheln, was kubanische Aktivisten verständlicherweise verärgert hat. Denn es bestätigt sich: Die allgemeine öffentliche Meinung in Kuba zeigt wenig Solidarität und Empathie mit den kubanischen Dissidenten und mit den politischen Gefangenen. Nun bittet der verzweifelte potentielle Gast der kriminellen haitianischen Banden, der glaubte, mit seiner Aussage das Herz von Díaz-Canel erweichen zu können, die Öffentlichkeit um Solidarität und Hilfe. Vielleicht dachte er, dass sein Präsident auf einen seiner Flüge verzichten würde oder dass eines der Söhne der Mächtigen in Kuba eines seiner Boote nach Haiti lenken würde, um ihn abzuholen und nach Hause zu bringen.
Diese Kubaner sind vielleicht in dem Glauben nach Haiti gereist, dass sie im Falle von Schwierigkeiten auf die Unterstützung ihres Heimatlandes zählen können. Jetzt erleben sie, was ich und vielleicht andere seit Jahren anprangern: Kubaner im Ausland leben de facto ohne konsularische Betreuung.
Trotz der lauten Hilferufe, trotz der Beteuerungen, man sei unpolitisch und rede nicht schlecht über das Regime, hieß es vor wenigen Tagen aus Kuba: Wenn Kuba könnte, hätte man sie längst aus Haiti geholt. Kuba gehört nicht zu den Ländern, die über viele Hubschrauber oder Ressourcen verfügen. Die Situation ist schwierig ...
Gestern kam für die Menschen und ihre Familien eine hoffnungsvollere Nachricht: Man habe noch nichts Konkretes, aber es werde eine Lösung geben. Man arbeite an verschiedenen Strategien, um die Kubaner nach Hause zu bringen.
Ich drücke die Daumen.
Nat Neumann, April 2024
Wir erstellen gerade Inhalte für diese Seite. Um unseren eigenen hohen Qualitätsansprüchen gerecht zu werden benötigen wir hierfür noch etwas Zeit.
Bitte besuchen Sie diese Seite bald wieder. Vielen Dank für ihr Interesse!
Die an dieser Stelle vorgesehenen Inhalte können aufgrund Ihrer aktuellen Cookie-Einstellungen nicht angezeigt werden.
Diese Webseite bietet möglicherweise Inhalte oder Funktionalitäten an, die von Drittanbietern eigenverantwortlich zur Verfügung gestellt werden. Diese Drittanbieter können eigene Cookies setzen, z.B. um die Nutzeraktivität zu verfolgen oder ihre Angebote zu personalisieren und zu optimieren.
Diese Webseite verwendet Cookies, um Besuchern ein optimales Nutzererlebnis zu bieten. Bestimmte Inhalte von Drittanbietern werden nur angezeigt, wenn die entsprechende Option aktiviert ist. Die Datenverarbeitung kann dann auch in einem Drittland erfolgen. Weitere Informationen hierzu in der Datenschutzerklärung.