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Angst essen Seelen auf
Still und leise hatte ich meinen Blog geschlossen. Zum einen habe ich seit meinem letzten Post im Dezember 2023 mein zweites Buch fertiggestellt. Es handelt sich um die überarbeitete Sammlung meiner Beiträge, die diejenigen, die meine Website besucht und diesen Blog gelesen haben, bereits kennen. Zum anderen habe ich festgestellt, dass das Thema "Kuba" nicht wirklich zu interessieren scheint und das Land "un caso perdido" ist, wie man so schön auf Spanisch sagt: ein hoffnungsloser Fall.
Aber es scheint einige Leute zu geben, die sich doch dafür interessieren, was in Kuba passiert. Und es gibt andere, offensichtlich die meisten, die nicht mitbekommen haben, was die Kubaner durchmachen, während sie als Touristen dort unsere Sonne genießen und am Strand liegen.
Als ich gestern in den Nachrichten von der Luftbrücke nach Gaza hörte und sah, wie diese armen Menschen dort jetzt zu essen bekommen, dachte ich insgeheim, dass es ihnen jetzt besser geht als den Kubanern. Ich weiß, ein makabrer Gedanke, vielleicht unangebracht. Doch während die Welt nach Gaza schaut, haben auch in Kuba viele Menschen seit langem wenig oder gar nichts zu essen. Wenn in diesen Tagen Fotos von Havanna ins Internet gestellt werden, fragen Kubaner, ob sie in Gaza aufgenommen wurden, denn auch in Havanna und anderswo in Kuba sollen Stadtteile so aussehen, als seien sie von Raketen und Bombenangriffen zerstört worden. Natürlich kann man Kuba nicht mit Gaza vergleichen, aber wenn man den Krieg in Gaza ausklammert, schon ein bisschen. Unser einst so schönes Havanna, einst "La perla del Caribe" genannt, wurde wie der Rest des Landes durch ein politisches System und der Ideologie einer Elite zerstört.
Es ist schwer, sich vorzustellen, wie es ist, zu hungern, wenn man noch nie gehungert hat. Vielleicht ist das der Grund, warum mich unter den vielen schwierigen Situationen der Kubaner die der politischen Gefangenen am meisten beunruhigt.
Aber neben den schrecklichen Nachrichten über die politischen Gefangenen, neben den jüngsten Berichten über den besorgniserregenden Gesundheitszustand vieler von ihnen, neben den nicht enden wollenden Berichten über Jugendliche, die seit Monaten auch ohne Gerichtsverfahren inhaftiert sind, erreichten uns gestern Abend Bilder aus Santiago de Cuba, meiner Heimatstadt. Die Santiagueros sind auf den Straßen. Sie protestieren lautstark und massiv gegen das System. Neben Rufen nach Essen und Strom hört man auch den Ruf nach Libertad und nach Patria y vida, dem Slogan der Demonstranten vom 11. Juli 2021.
Patria y Vida, nicht Patria o Muerte.
Manche sagen, dass die Kubaner das ungerechte System, in dem sie leben, aus Angst ertragen. Sie würden sich wegen der Repression nicht auf die Straße trauen. Es hieß "Angst essen Seelen auf". Es scheint, als ob der Hunger gerade dabei ist, die Angst der Kubaner aufzufressen.
Die Kubaner wollen nicht das Leben gegen den Tod tauschen, auch nicht für das Vaterland. Deshalb: Vaterland und Leben, nicht Vaterland oder Tod.
Nat Neumann, März 2024
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