No milk today
Das alte Lied der Herman’s Hermits könnten kubanische Eltern ihren Kinder jeden Tag vorsingen, wenn sie nach dem gehaltvollen Getränk fragen. Beo dieser aktuellen Meldung aus Kuba kann ich auf mein Buch „Ein kleines Stück Himmel“ verweisen kann, obwohl es bald ein Jahr alt ist und ich dort von Zeiten erzähle, die zum Teil Jahrzehnte zurückliegen. Das heißt, dass die neuen Nachrichten aus Kuba auch die alten sind. Nachrichten aus Kuba sind keine News. Das zeigt die Kontinuität der sogenannten sozialistischen Revolution. „Wir sind Kontinuität“, damit rühmt sich das kubanische Regime und seine Kommunistische Partei. So werden sie es sicherlich nicht meinen, doch im Hinblick auf das politische und wirtschaftliche Desaster, das dieses System uns Kubanern beschert hat, ist der Spruch richtig. Ja, sie sind Kontinuität.
Son continuidad.
In meinem Buch „Ein kleines Stück Himmel“ erzählte ich über einen Fall aus dem Leben eines Bauern in Kuba, der als eines der vielen Paradebeispiele sozialistischer Absurdität bekannt wurde: Im Jahre 2020 wurde ein Bauer in Kuba festgenommen, der privat Käse herstellte und verkaufte. Er hatte weder Milch noch Kühe gestohlen, er molk seine eigenen Kühe und erzeugte selbst Käse aus deren Milch. Wie ein Krimineller wurde der Bauer von der staatlichen Presse dargestellt. Sein Eigentum wurde beschlagnahmt. … Dem Bauer sollen zweiundvierzig Kühe gehört haben. Der kubanische Staat hatte ihn verpflichtet, täglich hundertfünfzig Liter Milch abzuliefern. Er kam seinen Verpflichtungen nach. Der kubanische Staat untersagte den Bauern jedoch, Milch, Butter oder Käse zu verkaufen. Seine Tiere schlachten durfte er nur mit dem Gutachten eines staatlichen Beauftragten, der zudem darüber wachte, dass das Fleisch an den Staat abgeliefert wurde.
Das kubanische Regime hat den Anspruch, die wirtschaftliche Entwicklung des Landes voranzutreiben und die Versorgung der Bevölkerung zu garantieren, doch er kann weder das eine noch das andere. Die letzten Lockerungen im Hinblick auf private Unternehmungen sind nicht die Lösung. Die Lösung scheint das System vor 1959 gehabt zu haben. Seitdem Fidel Castro Batista stürzte, Tabula rasa machte und unbeirrt Kubas Wirtschaft mehr zerstörte als entwickelte, gehören Milch und Milchprodukte zu Lebensmitteln der Luxusklasse. Milch gab es, solange ich denken kann rationiert; in meiner Kindheit für Kinder bis sieben Jahren zumeist als Kondensmilch, auch der gezuckerten Sorte oder Milchpulver. Und meine Kindheit dürften die „goldenen Jahre“ der kubanischen Revolution gewesen sein im Vergleich zu heute.
Wer dafür verantwortlich ist, dass das traditionell von Landwirtschaft geprägte Kuba nunmehr nicht in der Lage ist, Viehbestand zu halten, um die Milchproduktion sicherzustellen, kann ich mit begründeter Gewissheit nicht sagen. Die kubanische Regierung behauptet, der Grund dafür sei das, was sie amerikanische Blockade nennt. Zudem gäbe es Schwierigkeiten bei der Einfuhr, denn es fehlt an Schiffen für den Transport sowie an Geld, um das ganze zu finanzieren. Doch vom US-Embargo sind Lebensmittel ausgenommen, Kuba importiert seit Jahren beispielsweise Hähnchen, Kaffee und mittlerweile sogar Zucker aus den USA. Aber diese zu importierenden Lebensmittel müssen im Voraus, in bar und ohne Finanzierung bezahlt werden, für Kuba kein Pappenstiel. Allerdings stellt sich die Frage: Wieso kann beispielsweise der Transport von Hähnchen, finanziert werden? Importiert man Zucker statt der nötigen Milch? Wie werden die vielen Hotels, die ununterbrochen in Havanna errichtet werden finanziert? Wieso reicht es dafür und nicht für Milch für kubanische Kinder?
Und warum starb mit der Revolution Kubas Viehbestand? Manch ein Bauer bestätigt, die Schuld trügen größtenteils die Amerikaner mit ihrem Embargo, nicht ohne eine Teilschuld in der kubanischen Regierung zu finden. Es sei beklagenswert, dass es kein Futter für das Vieh und keine landwirtschaftlichen Betriebsmittel für Milchkühe gäbe. Also frage ich mich wieder: Wie werden die vielen Hotels, die ununterbrochen in Havanna errichtet werden, finanziert? Warum Investitionen in Hotels statt in die Landwirtschaft und so in die Ernährung des Volkes? Den kubanischen Eltern bleibt nicht anderes übrig als der Schwarzmarkt, wo man Milchpulver zu unglaublichen Preisen bekommt, Milch, die oft zuvor in den Hotels gestohlen wurde, dort wo sich die Kubafreunde am Strand sonnen und sich darüber freuen, "Sozialismus in Teilzeit" zu genießen.
Wie ich erfuhr, hatte der kubanische Staat, der wie ein (mittelloser) Vater unbedingt für die Ernährung seiner Kinder aufkommen will, den Bauern so wenig für die Milch gezahlt, dass diese die Produktion eingestellt haben. Es lohnte sich nicht. Offensichtlich hatte das (Vater)Regime auf die bedingungslose Arbeit ihrer (Bauern)Kinder gesetzt, in der Hoffnung, sie würden -wie in den besten Familien - ohne jegliche Gegenleistung arbeiten. Die Bauer aber denkt gar nicht daran, der eine oder der andere verkauft die magere Leistung seiner Milchkühe nunmehr auf dem Schwarzmarkt.
2020 importierte Kuba im Jahre Milchpulver aus Neuseeland (18.470 Tonnen), aus Belgien (6.628 Tonnen) sowie aus Uruguay (3.695 Tonnen) und produzierte selbst lediglich 455.000 Liter Frischmilch. Und während wir hier (einschließlich der Unterstützer des kubanischen Unrechtssystems) uns um gesunde Ernährung bemühen und Zucker vom vernünftigen Ernährungsplan verbannt wird, wird dieser in Kuba zum Grundnahrungsmittel.
In Guantánamo bekommen Kinder zwischen sieben und dreizehn Jahren im Rahmen der Lebensmittelrationierung, Zuckersirup statt Milch. Wie es aus der Fabrik heißt, die den Sirup herstellt, fehlt es an raffinierten Zucker für die Herstellung des süßen Stoffes, weshalb man jetzt braunen Zucker verarbeite, für sie insoweit bedauerlich, da der Sirup nicht sehr lange haltbar sei. Der Chef der Fabrik beruhigt: Die Kinder müssten sich keine Sorgen machen. Für sie gäbe es Sirup. Also Zucker statt Kalzium. Der regierungsnahe Sender "Solvisión" versicherte in einem Bericht über das Engagement der Arbeiter dieser "Empresa de Bebidas y Refrescos (EMBER)" in Baracoa, diese seien die Verpflichtung eingegangen, das Volk zu ernähren. Zu ernähren? Mit Zuckersirup? Wie man Karies und sonstige Zahnprobleme sowie Diabetes und andere Krankheiten aufgrund akuter Mangelernährung in einem Land behandeln wird, in dem es auch an medizinischer Versorgung fehlt, frage ich mich. Offenbar haben Díaz-Canel und Co. nicht in ihrem ideologiegetrübten Blick, was auf das ohnehin kranke kubanische Gesundheitswesen zukommt. Son continuidad!
Mitte 2020 hörten wir übrigens den nicht gewählten Díaz-Canel mit einem seiner unsäglichen Statements: Saftproduktion für die Bevölkerung. Das muss auch im Zusammenhang mit der Gastronomie gesehen werden. Ich glaube... es gab mehrere Orte im Land, die Saftläden hatten, einen Ort, wo man nur hinging, um Saft zu kaufen. Wann werden wir freiverkäuflichen Guarapo (Saft aus dem Zuckerrohr) in diesem Land haben? In diesem Zuckerrohr-Erzeugerland gibt es keinen Guarapo, der die…, die …, die …, die ... äh ... ich würde sagen, die gängigste Flüssigkeit in Kuba sein könnte. Wir müssen Zitronen im Land haben. Limonade ist die Basis von allem. Du!, jede Limonade (Getränk aus Zitronensaft, Zucker und Wasser) auf der Basis von Zitronenlimonade, du fügst irgendetwas anderes hinzu und es ist ein Refresco (in Kuba Erfrischungsgetränk), eh, eh ... super ... schön und supergut. Wir haben das auch nicht. Das muss man ... das muss man sehen. Pizzateig herstellen, damit die Leute ihn mit nach Hause nehmen können, denn wir müssen auch schon ... es gibt in Kuba schon eine nicht unbedeutende Gruppe von Leuten, die Mikrowellen haben, die anderen Arten des Kochens haben, dass das, was die Leute brauchen, vorgefertigtes Essen ist, um es zu Hause schneller zu machen ...
Ohne Zweifel, son continuidad.
Nat Neumann, August 2023
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