Sissi und Lizandra
Diese Vornamen höre ich in letzter Zeit immer öfter. Den einen hat man schon vor Jahren gehört. Spätestens seit den Filmen über Elisabeth von Österreich-Ungarn mit der schönen Romy Schneider kennen wir sie, Sissi, die Kaiserin von Österreich, die 1867 auch Königin von Ungarn wurde. Wie ich lese, wurde sie an einem Weihnachtsabend in München geboren. Aufgewachsen ist sie in München und am Stanberger See. So viel Glück wie sie hatte die kubanische Sissi nicht. Sissi Abascal Zamora wurde in Matanzas auf Kuba geboren. Mit 16 Jahren schloss sie sich den „Damas de Blanco“ an. Am 11. Juli 2021 nahm sie an den Demonstrationen teil, die in ganz Kuba stattfanden. Sie malte "Patria y Vida" auf ein Blatt, das während der Proteste auftauchte. Dafür wurde sie zu sechs Jahren Haft verurteilt.
Sissi ist eine mutige Frau. Trotz der harten, von vielen als unmenschlich bezeichneten Haftbedingungen ist sie sehr stark und wird sich auch im Gefängnis für die Rechte der Kubaner einsetzen, wie die prominente "Dama de Blanco" Berta Soler bestätigt.
Sissis Mutter, Annia Zamora, ebenfalls eine "Dama de Blanco", berichtet, dass ihre Tochter in der ungerechten Haft alle möglichen Misshandlungen erleidet. Ihr werden alle Hafterleichterungen verweigert, die für andere Gefangene selbstverständlich sind, weil sie sich der ideologischen Gehirnwäsche im Gefängnis widersetzt. Die Gefängnisdirektorin macht keinen Hehl daraus. Sie teilte Sissi, die für sie eine „presa negativa“ ist, mit, dass sie wegen ihrer "ablehnenden Haltung" gegenüber revolutionären Veranstaltungen (sie nimmt nicht an politischen Veranstaltungen teil und gibt keine revolutionären Parolen von sich) keine Hafterleichterungen zu erwarten habe.
Sissi von Österreich soll mit einem sichtbaren Milchzahn auf die Welt gekommen sein, was als glückliches Omen galt. Wo sie wohl ihre Geburtstage verbracht hat? Die unbeugsame kubanische Sissi kam offenbar mit unendlichem Mut und Tapferkeit auf die Welt. Ihre letzten drei Geburtstage verbrachte sie in einem kubanischen Gefängnis. Am 1. September wurde sie im Gefängnis „La Bellotex“ 27 Jahre alt.
Lizandra, diesen Namen hatte ich noch nie gehört. Meine Recherchen im Internet ergaben, dass es sich um die abgewandelte Form von Lysander handelt. Abgeleitet vom griechischen Lysandros, lysis: befreien und andres: Mann, bedeutet der Name „die Männer Befreiende“ oder auch „die Freigelassene“. Vor allem diese letzte Bedeutung ihrer Name macht mir Hoffnung. Denn die Kubanerin Lizandra Góngora Espinosa sitzt in einem kubanischen Gefängnis. Zu 14 Jahren Haft wurde sie wegen Sabotage, gewaltsamen Diebstahls und Störung der öffentlichen Ordnung verurteilt, für ihre Teilnahme an den Demonstrationen vom 11. Juli 2021. Lizandra, die auf Fotos oft mit gespreiztem Zeigefinger und Daumen zu sehen ist, das Libertad-Zeichen zeigend, oder die eine Handfläche präsentiert, auf der geschrieben steht: "No es No!" ist Mutter von fünf minderjährigen Kindern. So wie Sissi ist auch Lizandra ist eine mutige Frau. Wie passend, denn in der griechischen Kultur wird ihr Name mit Mut und Stärke assoziiert. Über ihre Facebook-Seite forderte sie Freiheit für die politischen Gefangenen und berichtete live über die schwierige Situation auf der Insel. Buenas noches, por acá Lizandra, so begann sie ihre Berichte über das Leben einer alleinerziehenden Mutter in einem unterversorgten und totalitären Staat. Während die Mehrheit ihrer kubanischen Mitbürger auf der Insel schwieg, forderte sie immer wieder in ihren Live-Übertragungen das Ende der kubanischen Diktatur, zuletzt am 8. Juli 2021. Drei Tage später ging sie mit Hunderten Demonstranten auf die Straße. Tagelang hörten ihre Angehörigen nichts von Lizandra. Sie gehörte zu den Demonstranten, die gewaltsam verschwanden und mehrere Tage von der Polizei festgehalten wurden. In der Haft trat sie in den Hungerstreik und wurde aufgrund ihres Gesundheitszustandes in eine Zelle eines Frauenkrankenhauses eingewiesen. Später wurde sie in eine Haftanstalt auf der Isla de la Juventud verlegt, weit weg von ihrem Wohnort. Im Mai 2024 wurde eine Aufnahme von Lizandra bekannt, in der sie die Haltung der Behörden anprangert, die sie von ihren Kindern fernhalten. Zu diesem Zeitpunkt war bereits bekannt, dass Lizandra schwere gesundheitliche Probleme hatte, die ohne angemessene Behandlung, zu den täglichen Misshandlungen und Erniedrigungen hinzukamen, denen politische Gefangene in kubanischen Gefängnissen ausgesetzt sind. Derzeit befindet sich Lizandra in Einzelhaft und ist ernsthaft krank. Ihr Leben ist in Gefahr.
Lizandra und ihre Kinder leiden unter der Ungerechtigkeit und der Grausamkeit des kubanischen Unrechtsstaates. Es bleibt zu hoffen, dass die aktuelle Internetkampagne unter #LizandraJuntoASusHijosOtraVez das bringt, was sich so viele Menschen für Lizandra und ihre Kinder von Herzen wünschen, wenigstens zu Ehren ihres Namens.
Nat Neumann, September 2024
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